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HOCHPARTERRE

VITO NOTOS PRÄZISE IDEEN

Die neuere Tessiner Architektur ist in aller Munde. Weniger populär sind die Industrie-Designer der Region. Adalbert Locher hat einen besucht: Vito Noto.
Vito Noto nennt das Tessin «ein fruchtbares Land». Zwar gibt ihm der wenig industrialisierte Kanton nur etwa ein Zehntel seiner Arbeit: Zum Beispiel lässt Agie Losone, das einstige Wirtschaftswunder und Vorzeigeunternehmen im Locarnese, Displays für ihre Funkenerosionsmaschinen von Noto gestalten. Aber der Standort ausserhalb eines Zentrums muss für einen Industrie-Designer kein Nachteil sein. Telefon und Telefax sind ja erfunden, und zudem ist Mailand nahe.
Blick nach Süddeutschland
Seit dem letzten Sturz der Lira hat Noto die Fühler stärker über den grossen Berg gestreckt. Seine meisten Kunden kommen aus der Ostschweiz. Sie produzieren Telefonie- und Datenempfangsgeräte, Apparate für Medizin und Elektronik. Noto hat auch schon einen Zahnstocherbehälter, einen Systern-Koffer für Werkzeuge und Kleinmaterialien, die Uhr Tac Tic mit rückwärtslaufendem Quarzwerk oder und Zürich. In Italien ist er immer den Tafelaufsatz Cono, Tischdekor und Tablett in einem entworfen. Noto will sich nicht auf ein Gebiet festlegen lassen, obgleich er über eine besondere Kompetenz verfügt, über das Design für die Welt der hochtechnologischen Apparate. Dazu gehören ein Fadenschussspeicher für die Spinnereivorbereitung oder ein Apparat zur Narkosegaskontrolle. Dazu gehört die langjährige Zusammenarbeit mit der High-Tech-Firma Hamilton in Bonaduz im Kanton Graubünden. Zurzeit beschäftigt sich das dreiköpfige Team unter anderem mit einem Mini-Brutkasten für Labor- und Lebensmittelproben.
Emigrant und Europäer
Bis sich Vito Noto 1982 in Cadro bei Lugano niederliess, hat er Europa und seine Arbeitskulturen gründlich kennengelernt. Mit seinen Eltern ernigrierte er aus Süditalien in die Schweiz, erwarb in Mailand das Diplom als Designer am Polytecnico und arbeitete dann in Hamburg, Paris und Zürich. In Italien ist er immer noch ein stückweit zuhause, ernpfindetjedoch die dort übliche Alternative «Freundschaft oder Bürokratie» eher als mühsam. «Ist man mit einem Firmenchef befreundet, klappt alles. Wenn nicht, geht’s doppelt so lang». So hat Noto gelernt, Beziehungen zu knüpfen und die geschäftliche Partnerschaft auf die Länge anzulegen. Solche Kontinuität hat schon zu neuen Entwicklungen geführt, auf die der Produzent von alleine nicht gekommen wäre.
Impulse tür Entwicklungen
Zum Beispiel die Frankiermaschine für Primavera, die Noto 1989 die «Menzione Compasso d’Oro» einbrachte: Der Designer regte den Produzenten dazu an, verschiedene Varianten mit Zusatzfunktionen zu entwickeln. Mit praktisch demselben Gehäuse kann das Gerät auch wägen, die Frankatur berechnen oder das Porto-Konto führen und ausdrucken, oder es kann dies alles zusammen. Die Multifunktionalität lässt sich dank klarem Display und sparsamer Form einfach steuern. Das klare Layout der Bedienerfunktionen fällt auch bei den Medizingeräten für Hamilton auf. Dieser Kunde habe anfänglich nicht an die Möglichkeiten des Industrie-Designs geglaubt. Noto: «Nur ästhetische und oberflächliche Argumente waren der Grund, sich mit Design zu beschäftigen». Als er jedoch bei einem Gerät den Grundriss veränderte, um mit Laser die Reagenzien besser ablesbar zu machen, übertrug der Produzent seinem Designer grössere Kompetenzen. Inzwischen verfügt Hamilton dank der Wiederholung technischer und ästhetischer Merkmale auf andere Apparate über ein klares Marken-Image. Drei Merkmale: Die Firmenfarbe Blaugrau, formale Akzente und einfache Bedienung. Was ist Notos Methode? Empathie er hört denn auch lieber zu, als dass er spricht. Mit einem Satz umreisst er den Kern seiner Haltung: «Als Desiger brauche ich eine Vision, die mich mit dem Benutzer eines Geräts, eines Gegenstands verbindet, ich muss seine Anforderungen, Wünsche und Gegebenheiten erfassen. Der Nutzniesser weiss, was er will, vielleicht fällt es ihm schwer, sich zu erklären. Gerade darum muss ich ihm vor Beginn eines neuen Projektes zuvorkommen und ihn mit Enthusiasmus vertreten.» Kurz: Ein Industriedesigner gestaltet immer auch einen Arbeitsplatz. Für Lyset wurde Noto mit dem Compasso d’Oro 1995, für das Laborgerät «Microlab F.A.M.E.» mit dem Design Preis Schweiz 1995 ausgezeichnet.

Autore: Adalbert Locher